Rassismus, das“White Privileg“ und Zwangshochzeiten

Vorab: Alles was in diesem Beitrag steht ist nur meine Meinung. Es sind Dinge die ich in meinen ersten Monaten hier in Indien erlebt habe und diese Erfahrungen möchte ich teilen.

Fangen wir erst einmal mit den Definitionen an:

Rassismus: „Lehre, Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen oder ethnisch-kulturellen Merkmalen anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen“ Quelle: www.duden.de

White Privileg: beschreibt das soziale Privileg, dass weiße Menschen gegenüber nicht-weißen Menschen in der Gesellschaft haben. Die bezieht sich auf den Arbeitsmarkt, die gesellschaftliche Stellung und Akzeptanz aber auch auf das alltägliche Leben. Quelle: wikipedia

Zwangsheirat: Zwangsheirat oder Zwangsehe bezeichnet eine Eheschließung, die gegen den Willen eines oder beider Heiratenden stattfindet…. Quelle: Wikipedia

Diese beiden Phänomene gibt es nicht nur hier. Auch in Österreich konnte ich beides schon beobachten. Doch hier in Indien fällt es mir noch deutlicher auf. In Indien gibt es das Kastensystem. Dieses teilt die Gesellschaft in 5 Gruppen ein. Diese teilen ein wen man heiraten darf, wo man wohnt und was für Berufe du ausführen darfst. Auch wenn das System offiziell abgeschafft ist, leben die meisten Menschen immer noch danach.

Indisches Kastensystem

Wir Weiße sind Kastenlos. Das bedeutet das wir keiner Kaste zugehörig sind, allerdings werden wir so behandelt wie Leute der oberen Kasten. In unsere Behandlung spielt auch die Idealisierung der Weißen hinein. Auf den meisten Werbeplakaten sind weiße Menschen zu sehen. Es gibt Werbungen für Schwangerschaftstests auf denen eine weiße Mutter und ihr weißes Baby zu sehen sind. In den Tuk Tuks hängen Bilder von weißen Menschen, oftmals Babys. Auch auf der Straße merkt man diese Idealisierung. Vor allem Kinder wollen deine Hand schütteln und freuen sich tierisch wenn du ihnen ein Highfive gibts und ihnen deinen Namen sagst. Aber auch Erwachsenen freuen sich wenn sie dich berühren können oder ein Selfie mit dir machen. Diese Selfies werden dann an alle möglichen Freunde und Verwandten geschickt und in Whatsappstatusen und Instagramstorys geteilt. Ich möchte ehrlich gesagt nicht wissen, wie viele Inder schon ein Foto mit mir auf ihrem Handy haben. Einmal hat mir ein Tuk Tuk Fahrer sogar 20 Rupie Rabatt gegeben wenn ich ein Foto mit ihm mache. Dieses hat er dann sofort geteilt als Trophäe so zu sagen.

Doch das ist nicht einmal das schlimmste. Ich habe diesen Tuk Tuk Fahrer dann gefragt warum denn ein Selfie mit einem Weißen so wertvoll ist. Er hat mir darauf geantwortet, dass wir seltener sind und außerdem mehr wert als sie. Das bedeutet das sich viele Inder:innen selber herabstufen nur weil sie eine andere Hautfarbe haben. Unsere Hautfarbe wird mit Reichtum und Wissen assoziiert. Deswegen sind die meisten auch überrascht wenn wir ihnen sagen das wir nicht studieren sondern das wir hier soziale Arbeit leisten.

Etwas das noch wertvoller als ein Selfie ist, ist einen Weißen Mann / eine Weiße Frau zu haben. Kurzes Beispiel: Letzte Woche stehe ich in der Schlange an der Kasse im Supermarkt als auf einmal ein Mädchen neben mir steht. Sie war nicht viel älter als ich vielleicht nur ein zwei Jahre. Als ich sie bemerke fragt sie mich wie alt ich bin und woher ich komme. Sie lässt mich nicht einmal aussprechen und sagt zu mir: „My Dad wants to ask you if you would marry me?“ Übersetzt hat sie mich gefragt ob ich sie heiraten möchte, dieser Wunsch ging aber nicht von ihr aus sondern von ihrem Vater. In diesem Moment gingen mir zwei Fragen durch den Kopf. 1. Warum fragt sie mich das? und 2. Wieso möchte der Vater das ich sie heirate? Ich habe nicht antworten können, da sie nach dieser Frage sofort verschwunden ist. Natürlich wäre meine Antwort nein gewesen, allerdings hätte ich mich noch gerne mit ihr unterhalten und sie gefragt warum sie ausgerechnet mich fragt. Als ich die Geschichte den Fathers im Headquarter beim Frühstück erzählt habe, haben diese nur gelacht. Einer erklärte mir dann, dass es eine sehr große Ehre ist einen weißen Ehemann / eine weiße Ehefrau zu haben. Das resultiert nämlich darin, dass man selbst etwas besonderes ist. Außerdem gehen sie davon aus das ich viel Geld habe.

Dennoch finde ich zwei Dinge falsch. 1. Sollte man niemanden heiraten nur weil er/sie eine andere Hautfarbe hat. 2. Sollte der Vater nicht darüber entscheiden wen die Tochter heiratet. Doch das ist hier noch immer gang und gebe. Hier wird nicht die Frau gefragt ob sie einen heiraten möchte sondern der Vater. Wenn dieser den Antragsteller für gut befindet wird geheiratet. Die Frau wird meistens nicht nach ihren Gefühlen und Gedanken gefragt. Auch meine Mitvolontärinnen wurden schon öfter gefragt ob sie nicht einen indischen Mann heiraten wolle, auch von Mitarbeiterinnen in den Projekten, die ihre Söhne oder andere Verwandte verheiraten wollen.

Generell haben die Frauen hier leider eine sehr geringen Stellung. Laut einem Father sind die meisten Frauen Hausfrauen, nur die wenigsten Arbeiten. Viele Frauen wurden auch noch von ihren Eltern Zwangsverheiratet. Doch vor allem junge Frauen machen sich immer öfter Selbstständig und suchen sich den passenden Partner. Diese Frauen gehen auch immer öfter studieren und arbeiten dann auch in gut bezahlten Berufen.

Bildquelle: https://www.planet-wissen.de/kultur/asien/indien/pwiekasteundkastensysteminindien100.html

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4 Antworten zu „Rassismus, das“White Privileg“ und Zwangshochzeiten”.

  1. Gu beobachtet und dokumentiert, weiter so und alles festhalten!
    Grüße an „My Where About“

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  2. Hallo Samuel, ich folge Deinem Blog mit großem Interesse (ein Bloggerkollege hat mir Deinen empfohlen). Ich finde Deine/Eure Eindrücke aus Indien bzw. Vijyawada spannend zu lesen, erinnern sie mich doch an meine erste Indienreise (über Land aus Deutschland bis Calcutta). Das ist 45 Jahre her. Ich bin aber seitdem – mit meiner Familie – immer wieder in Indien gewesen, habe in Tamil Nadu gelebt und als Lehrer gearbeitet. Dir und Eurem Team weiterhin vele neue Erlebnisse und Eindrücke und alles Gute.

    Gefällt 2 Personen

    1. Grüße an den Kollegen 😉

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